Marcel Callo zum 95. Geburtstag

Ein Bericht von Dr. Anton Markmiller aus „notiert 75“, den Mitteilungen für Freunde und Förderer der DPSG

An einem strahlenden Sonntagmorgen waren wir am 4. Oktober 1987 im Petersdom, als Marcel Callo, der französische Pfadfinder und Mitglied der Christlichen Arbeiterjugend (Jeunesse Ouvrière Chrétienne – JOC) in Frankreich von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen wurde.

So strahlend, wie dieser Morgen war, so düster endete das Leben von Marcel Callo im Konzentrationslager Mauthausen. Während des Zweiten Weltkrieges wird er als 22-jähriger von Frankreich zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Er nimmt die Arbeit in Deutschland mit der Einstellung Ich gehe nicht als Arbeiter dorthin – ich fahre als Missionar auf und nutzte die Möglichkeit zu flüchten nicht, weil er entschlossen ist, zu helfen, zu missionieren und seinen Leidensgefährten beizustehen.

Marcel gründet Sport- und Theatergruppen, bereitet Wortgottesdienste vor und verkündet den Glauben. Er gerät dadurch immer wieder mit den NS-Machthabern in Konflikt und wird am 19. April 1944 verhaftet und in das Gefängnis von Gotha überstellt. Dort muss er trotz Blutgeschwüren im Magen täglich zwölf Stunden Schwerstarbeit leisten. Auch diese Strapazen hindern ihn nicht, sein Christentum zu leben.

Am 6. Oktober 1944 wird Marcel ins Konzentrationslager Flossenbürg transportiert und knapp drei Wochen später nach Mauthausen gebracht. Dort bekommt er die Nummer 108548 auf den Arm eingebrannt und arbeitet zuerst im Kommando Gusen I und wird dann mit seinen Kameraden nach Gusen II überstellt. Er muss im unterirdischen Flugzeugwerk B8 Bergkristall in St. Georgen an der Gusen arbeiten. Mehr als 50.000 Menschen sind hier auf die verschiedensten Arten ums Leben gekommen, durch Hunger, Krankheit und Schläge. Sie wurden erschossen, verbrannt, man ließ sie im Freien erfrieren, sie wurden wahnsinnig oder begingen Selbstmord. Ich habe die unterirdischen Anlagen gesehen, ein Schrecken ohne Ende. Aber Marcels gelebte Nächstenliebe kommt in den Worten eines seiner Kameraden zum Ausdruck: Trotz allem findet er noch ein gutes Wort für uns und teilt seine Suppe mit uns. Im Januar 1945 kommt Marcel ins Krankenrevier und stirbt am 19. März 1945. Todesursache : Kreislaufschwäche und Dickdarmkatarrh. So hat man es jedenfalls angegeben. Der Grund ist aber: systematische Ausbeutung bis zur Erschöpfung und zum Tod.

Es gab einen zweiten Morgen. Der ereignete sich in der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Mauthausen im Jahr 1988. Französische, deutsche und österreichische Pfadfinder brachten in einer denkwürdigen Feier an der Erinnerungsmauer eine Tafel an. Es gibt eine ganze Reihe an derartigen Tafeln. Die vorletzte in der Reihe war die Erinnerung an die ermordeten Homosexuellen. Die vorerst letzte sollte an die ermordeten Gewerkschafter erinnern. Weil der Österreichische Gewerkschaftsbund damals nicht neben den Homosexuellen stehen wollte, haben sie einen Platz freigelassen. Welche langwirkende Perfidie der Segregation von Opfern. Wir Pfadfinder haben mit der Tafel für Marcel den Platz gefüllt und würdig gestaltet.

Mehrere DPSG Stämme, CAJ-Gruppen, Pfarreien und Sozialeinrichtungen sind nach Marcel Callo benannt.

(Quelle: aus notiert 75– Mitteilungen für Freunde und Förderer der DPSG Winter 2016 / Frühjahr 2017, Seite 38, www.fuf-dpsg.de)